Pestarzt

Der dreißigjährige Krieg hatte verheerende Folgen für Deutschland und seine Bevölkerung.

Auch wenn die Angaben damaliger Zeit übertrieben waren, waren die Spuren doch sehr deutlich.

So wurde behauptet, die Bevölkerung Böhmens ging um drei Viertel zurück, die Württembergs um fünf Sechstel, die Nassaus um vier Fünftel, Hennebergs um zwei Drittel und die der Pfalz auf ein Fünfzigstel zurück. "Die Bevölkerung von Colmar war auf die Hälfte gesunken, die von Wolfenbüttel auf ein Achtel, die von Magdeburg auf ein Zehntel, die von Hagenau auf ein Fünftel und die von Olmütz auf weniger als ein Fünfzehntel. BildMinden, Göttingen und Magdeburg waren nach ihren eigenen Angaben Trümmerhaufen." Offizielle Zahlen zeigen dieses gemilderte, aber immer noch gravierende Bild. "München zählte 1620 zweiundzwanzigtausend Einwohner, 1650 siebzehntausend; Augsburg 1620 achtundvierzigtausend, 1650 einundzwanzigtausend. Chemnitz sank von fast tausend unter zweihundert, Pirna von achthundertsechsundsiebzig auf vierundfünfzig. Die Bevölkerung Marburgs, das zwölfmal besetzt war, schrumpfte auf die Hälfte zusammen", insgesamt zählte das "deutsche Reich, mit dem Elsaß, aber ohne die Niederlande und Böhmen 1618 wahrscheinlich einundzwanzig Millionen Einwohner und 1648 gewiß weniger als dreizehneinhalb Millionen" (siehe C.V. Wedgwood, "Der dreißigjährige Krieg", S. 444 f., 448, Hamburg 2011)

Das Ausmaß dieses Bevölkerungsrückgangs war aber bei weitem nicht nur den Kämpfen und dem Krieg an sich geschuldet. Vielmehr starben die meisten Menschen an Hunger und Seuchen wie Typhus, Ruhr und vor allem der Pest.

Ursprünglich stammte die Pest aus Zentralasien. Über Handelsbeziehungen gelangte sie entlang der Seidenstraßen und über den Seeweg nach Europa. Als erstes tauchte sie 1348 in Italien auf, von wo aus sie sich im Laufe der Zeit über ganz Europa ausbreitete. 1349 trat sie in Köln und Frankfurt, 1350 in Hamburg, Bremen, Lübeck, Magdeburg und Danzig auf. Diese erste "Welle" forderte rund 30 % an Todesopfern unter der Bevölkerung.

BildNeu an dieser Krankheit war, dass der direkte Umgang mit Infizierten zur Ansteckung genügte. Man vermutete, der Blickkontakt würde zur Übertragung ausreichen. Im 17. Jahrhundert kam deshalb eine besondere Schutzkleidung in Gebrauch, die aus einem geschlossenen Überwurf bestand, der aus Leder oder aus gewachstem Leinen bestand. Er sollte glatt sein, damit das Pestgift keinen Halt finden konnte. Darüber hinaus wurden Schnabelmasken getragen, die eine Art Filter mit Riechstoffen und Essigschwämmchen enthielten, der vor dem Miasma schützen sollte. Kristallgläser vor den Augen sollten den Arzt zusätzlich Schutz vor dem "bösen Blick" des Kranken bieten.

Als bestes Heilmittel galt die Flucht. Da sich das aber nicht jeder leisten konnte, musste man andere Methoden wählen. Die einfachste war die Verwendung von Räucherpfännchen, in denen wohlriechende Kräuter, Gewürze und Hölzer verbrannt wurden, die die Luft säubern sollten. Vielerorts vermutete man einen Zusammenhang zwischen streunenden Hunden und der Pest, weshalb Hunde diesem Irrglauben systematisch zum Opfer fielen. Ein schwerwiegender Trugschluß, da sich dadurch die Verbreitung eines der Hauptverbreiter, der Ratte, begünstigte. Dieser Zusammenhang wurde leider erst viel später entdeckt. Wie auch die Ärzte versuchten sich die Bürger auch durch essiggetränkte Stofftücher, die sie vor Mund und Nase banden, vor der Übertragung zu schützen. Als besonders beliebtes Allheilmittel galt der "Theriak", ein Gegengift aus Opiaten, Wurzel, Kräutern und auch verschiedenen Arten zermahlener Getiere.

BildDie eigentliche Behandlung der Erkrankten sah vor allem die Reinigung des Blutes durch Aderlass vor, in dem man schlechtes Blut abließ. Der Aderlass beruht auf dem Ungleichgewicht der Körpersäfte (Blut, gelbe Galle, schwarze Galle und Schleim). Für jede Krankheit wurden bestimmte Stellen zur Blutentnahme am Körper festgelegt, an denen ein Einfluss auf die Körpersäfte möglich war. Darüber hinaus dachte man, man könnte gerade einen an Beulenpest Erkrankten durch Aufschneiden (Inzision) und Ausbrennen (Kauterisieren) der Beulen (Bubonen) bei der "Reinigung" des Körpers unterstützen, nachdem man feststellte, daß Pestkranke, deren Beulen aufbrachen, höhere Überlebenschancen hatten.

Seuchen waren im dreißigjährigen Krieg deshalb ein so großes Problem, weil sich Infizierte stets mit Nichtinfizierten mischten. Durch die langen Märsche von Menschenmassen quer durch Deutschland und Europa konnten sich die pestauslösenden Bakterien wunderbar verteilen. Da auch die Heere an sich oftmals durch die Pest massiv dezimiert wurden, waren auch Pestärzte im direkten Gefolge des Trosses anhängig.

Diesem Aspekt möchten wir durch die Darstellung eines Pestzuges und einer Pestuntersuchung durch unseren Pestarzt Rechnung tragen. Wir zeigen bei einer Vorstellung, wie die Untersuchung mit Aderlass, Aufschneiden und Ausbrennen der Beulen abgelaufen sein könnte. Da dies unter Umständen nichts für schwache Nerven ist, weisen wir darauf hin, dass jeder für sich entscheiden sollte, ob er dem Anblick der mit unter blutigen Darstellung gewachsen ist.